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DNA-Tests und Stuhltransplantationen: Die neuesten Erkenntnisse der Darmflora-Forschung

Der Mikrobiom-Forschung hat in den vergangenen Jahren zahlreiche neue und überraschende Erkenntnisse hervorgebracht. Auch deshalb sind Wissenschaftler*innen und Ärzt*innen heute in der Lage, verschiedene Erkrankungen frühzeitig zu erkennen und besser zu therapieren. Wie Darmbakterien Übergewicht und Depressionen beeinflussen, wie einfache DNA-Tests ganz neue Analysemöglichkeiten geben und wie Stuhltransplantationen Erkrankten mehr Lebensqualität verschaffen, darüber gaben Gastroenterologe Prof. Dr. Peter Konturek von den Thüringen-Kliniken und Systembiologe Dr. Paul Hammer bei einer digitalen Infoveranstaltung im Dezember einen aktuellen Überblick. Die wichtigsten Punkte fassen die Expert*innen des Biotechnologie-Unternehmens BIOMES hier zusammen.

Studien zeigen: Eine gestörte Darmflora kann zu Adipositas, Diabetes oder Depressionen führen

Forscher*innen haben herausgefunden, dass bestimmte Mikroben wie die sogenannten Akkermansia-Bakterien Fettleibigkeit und Stoffwechselerkrankungen verbessern. Hier ist allerdings noch viel Grundlagenforschung notwendig. Doch schon jetzt lässt sich sagen, dass die Zusammensetzung unserer Darmflora einen Einfluss darauf hat, wie viel Appetit wir haben und wie viele Kalorien wir zu uns nehmen. Belgische Wissenschaftler*innen kamen zu dem Ergebnis, dass bei adipösen Menschen die Keimvielfalt im Darm vermindert ist und dort häufiger entzündliche Prozesse entstehen. Diese Entzündungen merken die Patient*innen nicht zwingend, dennoch können sie die Bauchspeicheldrüse angreifen. Die mögliche Folge: Diabetes. Diese kann auch bei nicht-adipösen Patient*innen entstehen, bei denen die Zahl der schützenden Bakterienstämme zum Beispiel durch eine ungesunde Ernährung oder viele Antibiotika stark verringert ist. Insbesondere Keime, die Buttersäure oder andere kurzkettige Fettsäuren produzieren, sind bei Diabetiker*innen seltener in der Darmflora zu finden.

Was viele nicht wissen: Der Darm hat auch direkten Einfluss auf psychische Erkrankungen wie Depressionen. Studien haben ergeben, dass bei Depressiven zwei Bakterienarten auffällig oft fehlen, nämlich die Gattungen Coprococcus und Dialister. Diese sind dafür zuständig, Stoffe wie zum Beispiel das Glückshormon Dopamin zu produzieren oder andere Stoffe, die uns gute Laune machen.

Bei allen drei Erkrankungen prüfen wissenschaftliche Teams derzeit, ob es möglich ist, fehlende Bakterien künstlich hinzuzufügen. Erste Ergebnisse gibt es für das sogenannte Akkermansia muciniphila: Das Bakterium über drei Monate zu supplementieren verbessert mehrere Stoffwechselparameter, wie zum Beispiel den Cholesterinspiegel und das Körpergewicht.

Stuhltransplantation: Heilungsraten liegen bei 90 Prozent

Bei schweren und/oder chronischen Darminfektionen gibt es hingegen bereits ganz verschiedene Ansätze, um das Mikrobiom systematisch zu behandeln. Kliniken nutzen vermehrt die sogenannte Fäkale Mikrobiota-Therapie (FMT). Dabei handelt es sich um eine Art Stuhltransplantation: Ärzt*innen übertragen den Stuhl eines gesunden Menschen mithilfe von Kapseln oder einer Sonde auf einen kranken Patienten. Was etwas eklig klingt, hilft enorm: Der Gastroenterologe Prof. Konturek erforscht die Therapie seit vielen Jahren und konnte herausfinden, dass die Heilungsraten bei fast 90 Prozent liegen – die Lebensqualität der Patient*innen steigt drastisch. Wenn die Entzündungen im Darm nicht gerade chronisch sind, reicht meistens eine Stuhltransplantation aus. Dafür muss der Patient zehn entsprechende Kapseln schlucken. Eine Woche später folgen zehn weitere Kapseln. Die Frequenz und die Menge hängen dabei stark von der jeweiligen Erkrankung ab. Nebenwirkungen gibt es bei dieser Therapie sehr selten. Manchmal können Bauchschmerzen, Blähungen oder Fieber auftreten. Doch die bisher erzielten Erfolge sprechen für sich. Wichtig ist, dass die Probe des Spenders wirklich gut ist.

Neue DNA-Analyse ermöglicht tiefgehende Erkenntnisse

Die klassische Darmanalyse, wie man sie vom Arzt kennt, basiert darauf, die Bakterien in Petrischalen zu kultivieren. Doch diese Methode identifiziert oft nur 15 Prozent aller Mikroben und hat dadurch nur eine geringe Aussagekraft. Neue Methoden zur Analyse wie das Next Generation Sequencing sind hingegen DNA-basiert. Damit lässt sich die DNA nahezu aller bekannten Mikroben digitalisieren, identifizieren und quantifizieren. Dies ist ein echter Quantensprung für die Analyse. Mit dieser Methode ist es möglich, wirklich tief in das individuelle Mikrobiom einzusteigen. So lässt sich unter anderem erkennen, ob bestimmte Bakterien innerhalb oder außerhalb des Normbereiches liegen und ob es genügend unterschiedliche Bakterienstämme gibt. Aus den Ergebnissen lassen sich anschließend individualisierte Empfehlungen, zum Beispiel für die Ernährung, ableiten. Auch Aussagen darüber, wie verschiedene Lebensmittel verdaut werden können, wie es mit der Vitaminsynthese aussieht oder ob es eine Neigung zu Unverträglichkeiten gibt, sind möglich. Insgesamt entsteht mithilfe der DNA-basierten Darmanalyse ein sehr aussagekräftiges Bild über den derzeitigen Status quo der Darmgesundheit.

„Über die letzten Jahre ist die Anzahl der wissenschaftlichen und klinischen Mikrobiom-Studien massiv angestiegen. Damit können wir genauere Aussagen treffen, die den Patienten zugutekommen“, sagt Systembiologe Dr. Paul Hammer. Dennoch sei die Darmflora ein äußerst komplexes Feld und es bedürfe noch viel Forschungsarbeit, um bestehende Wissenslücken zu schließen. „Wir sind heute aber deutlich weiter als noch vor 20 Jahren. Und wir wissen, dass wir mit dem Darm einen Schlüssel zu mehr Gesundheit und zu mehr Wohlbefinden gefunden haben.“

Über die Experten

Der Gastroenterologe Prof. Dr. Peter Konturek ist Chefarzt der Klinik für Innere Medizin II der Thüringen-Kliniken am Standort Saalfeld. Seit mehr als zehn Jahren beschäftigt er sich intensiv mit dem Mikrobiom. Als einer der Ersten seines Faches erforschte er die sogenannte fäkale Mikrobiotatherapie („Stuhltransplantation“). Seit 2019 ist Prof. Konturek Präsident der Mikrobiota-Gesellschaft „International Microbiota Society“. Zudem ist er Autor von über 300 Veröffentlichungen.

Dr. Paul Hammer ist Gründer und CEO des Biotechnologie-Unternehmens BIOMES. Er promovierte 2012 in Systembiologie und Bioinformatik an der Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Potsdam. Dr. Hammers große Leidenschaft ist die Erforschung der genomischen und mikrobiellen Mechanismen und ihrer Auswirkungen auf das Leben. Er kombiniert dazu DNA-Hochdurchsatztechnologien mit maschinellen Lernalgorithmen von großen Datensätzen.

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Dr. Paul Hammer
CEO & Founder
Dr. Paul Hammer ist Gründer und CEO der BIOMES NGS GmbH. Paul promovierte 2012 in Systembiologie und Bioinformatik.
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