Die Gesundheit der Darmflora ist eng mit dem Zustand des Immunsystems verknüpft – sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern. [...]
Engel oder Teufel? Mikrobiomprodukte aus Gemüse mit ambivalenter Wirkung
“Iss dein Gemüse, sonst kommt ein langer Winter”. Diese Redewendung sollte früher Kinder dazu animieren, sich mehr pflanzliche Kost einzuverleiben. Denn schon damals wusste man aus Erfahrung: Gemüse ist wichtig, um gesund zu bleiben. Unser Körper ist auf die wertvollen Nährstoffe in pflanzlichen Lebensmitteln angewiesen. Neben lebenswichtigen Vitaminen und Mineralstoffen, enthält Gemüse eine Vielfalt von Nährstoffen, deren Wirkung auf den Körper und unsere Gesundheit erst teilweise erforscht ist. Ein Forscherteam aus Konstanz und Wien hat nun einen Nährstoff, der vor allem in grünem Blattgemüse wie Salat und Spinat enthalten ist, genauer unter die Lupe genommen und dabei neue spannende Funktionen unserer Darmbakterien entdeckt.
Das Mikrobiom als Bindeglied zwischen Ernährung und Gesundheit
Wenn wir Nahrung zu uns nehmen, wandert diese durch unseren Verdauungstrakt, in dem körpereigene Mechanismen, vor allem im Dünndarm, einen Großteil der Nährstoffe extrahieren. Einige Nährstoffe verbleiben jedoch im Verdauungstrakt und wandern weiter in den Dickdarm, der dicht von Mikroorganismen bevölkert ist. Diese kleinen Darmbewohner ernähren sich von dem was übrig bleibt und produzieren dabei Stoffe, die wiederum Einfluss auf unseren Körper haben können. Insbesondere Ballaststoffe wurden im Hinblick auf ihre Verstoffwechselung durch das Mikrobiom ausführlich erforscht.1 Doch auch allerhand andere Stoffe landen im Dickdarm und können unter Einfluss des Mikrobioms positive wie auch negative Auswirkungen auf unsere Gesundheit haben. Leider ist ein Großteil der Wechselwirkungen zwischen Nährstoffen, dem Mikrobiom und den Körperzellen noch unbekannt. In einer neuen Forschungsarbeit konnte jedoch etwas Licht ins Dunklel gebracht werden, indem die mikrobielle Verarbeitung des Schwefelzuckers Sulfoquinovose im Detail untersucht wurde.2
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Pflanzlicher Schwefelzucker füttert wichtige Darmbakterien
Sulfoquinovose ist in allen grünen Gemüsesorten wie Spinat oder Brokkoli enthalten. Aus vorhergehenden Studien war bekannt, dass Mikroorganismen den Schwefelzucker prinzipiell als Nährstoff nutzen können. Aufbauend darauf hat das Forscherteam nun Stuhlproben von Vegetarier*innen analysiert, um zu untersuchen, wie diese Prozesse spezifisch im menschlichen Darm ablaufen und wie Mikroben im Darm den pflanzlichen Schwefelzucker Sulfoquinovose verarbeiten.
Zunächst zeigte sich, dass das Wachstum ganz bestimmter Schlüsselorganismen im Darm-Mikrobiom durch den Schwefelzucker gefördert wird. Besonders das Bakterium Eubacterium rectale, welches die gesundheitsförderliche Fettsäure Butyrat produzieren kann, nimmt durch den Schwefelzucker zu. Das liegt vor allem daran, dass das hilfreiche Bakterium maßgeblich für den Abbau von Sulfoquinovose verantwortlich ist. Dabei kooperiert es mit einem weiteren Darmbakterium: Bilophila wadsworthia. Dieses Bakterium übernimmt den zweiten Reaktionsschritt in der Verstoffwechselung und bildet dabei das Endprodukt Schwefelwasserstoff.
Engel oder Teufel? Auf die Dosis kommt es an!
Das Endprodukt Schwefelwasserstoff, das durch die mikrobielle Verstoffwechslung von grünem Gemüse entsteht, kann potenziell schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit haben. Es kann die Darmbarriere schwächen, die Energiegewinnung der Darmzellen hemmen und so zum Zelltod führen. Schwefelwasserstoff war bisher vor allem im Zusammenhang mit einer fleisch- und fettreichen Ernährung bekannt und wird mit chronischen entzündlichen Erkrankungen sowie Krebs in Verbindung gebracht.
Aber wie mit den meisten Substanzen, macht auch hier die Dosis das Gift. In geringen Mengen kann Schwefelwasserstoff sich sogar positiv auf die Gesundheit auswirken, denn es ist ein wichtiges Signalmolekül, und kann durch seine antioxidativen Eigenschaften zellschützend wirken. Letztendlich bleibt zu klären, welche Auswirkungen pflanzlicher Schwefelzucker auf die Darmgesundheit hat. Die Wissenschaftler*innen stellen weitere Studien in Aussicht und erwägen nach ausreichenden Untersuchungen die Verwendung von Sulfoquinovose als mögliches präbiotisches Nahrungsergänzungsmittel.
Diese Studie veranschaulicht, wie einzelne Nahrungsbestandteile von ganz bestimmten Mikroorganismen verarbeitet werden und auf diese Weise zur gezielten Einflussnahme in die Darmflora genutzt werden könnten. Die Erforschung potenzieller Präbiotika und ihrer Wirkungsweise steckt jedoch noch in den Kinderschuhen. Forschungsarbeiten wie diese geben aber Anlass zur Hoffnung, dass in naher Zukunft eine viel präzisere Modellierung der Darmmikrobiota durch die Ernährung oder Nahrungsergänzungsmittel möglich sein wird.